OLG Naumburg – „Kopfgeld“ auf die erste beschuldigtenfreundliche Entscheidung – Encrochat für Arme

Das Oberlandesgericht Naumburg war noch nie eines der Oberlandesgerichte, das sich hätte nachsagen lassen müssen, sehr betroffenen-/beschuldigten-/angeschuldigten-/angeklagtenfreundlich zu sein.

Seit der Übernahme des ersten Strafsenates durch die jetzige Vorsitzende soll es angeblich noch zu keiner einzigen Entscheidung zu Gunsten eines Beschuldigten, Angeschuldigten, Angeklagten oder Betroffenen gekommen sein.

Ich weiß nicht, ob das Gerücht stimmt, meine persönliche Erfahrung würde allerdings in dieses Bild passen.

Auch Richter sollen sich bereits beklagen, dass durchaus ausgewogene Entscheidungen gekippt werden nach dem Motto: Hauptsache zu Lasten der Betroffenen.

Ein besonders plastisches Beispiel liefert der Senat gerade in einem Verfahren, in dem die Frage der Verwertbarkeit von Informationen von Staats-Hackern aus den sogenannten Encrochat-Verfahren eine tragende Rolle spielt.

Die Verteidigung macht mit gewichtigen Argumenten ein Beweisverwertungsverbot im Haftprüfungsverfahren geltend.

Der Bundesgerichtshof (StB 14/19) sagt zu diesem Problemkreis klar und eigentlich selbst für OLG-Richter verständlich:

Im Ermittlungsverfahren sind Beweisverwertungsverbote unabhängig von einem Widerspruch des Beschuldigten von Amts wegen zu beachten, auch wenn der zugrundeliegende Verfahrensmangel eine für ihn disponible Vorschrift betrifft.

Hört sich einfach an, für das OLG Naumburg aber ebenso einfach, das in sein Gegenteil zu verkehren:

Die Frage des etwaigen Bestehens eines – nicht offensichtlichen – Beweisverwertungsverbots kann momentan aber dahinstehen und der Prüfung in einer Hauptverhandlung vorbehalten bleiben, denn bei einem Beweisverwertungsverbot handelt es sich um eine begründungsbedürftige  Ausnahme. Ob eine rechtswidrig erhobene oder erlangte lnformation in einem Strafverfahren verwertet werden kann, bemisst sich nach dem Recht auf ein faires Verfahren. Die Gesamtabwägung der Umstände, die nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hierfür vozunehmen ist (u.a. Urteil vom 11. November 1998, Az. 3 StR 181/98, Rn. 10 m.w.N. – zitiert nach juris), steht mit dem Grundgesetz in Einklang (BVerfG, Beschluss vom 07. Dezember 2011 , Ac.. 2 BvR 2500/09, 2 BvR 1857/ 10, Rn. 1 15 ff.; Beschluss (Kammer) vom 15. Mai 2019, Az. 2 BvR 188/.117, Rn. 3 – zitiert nach juris). 

Für alle verständlich: Was interessiert es uns, ob ein Beweisverwertungsverbot vorliegt oder nicht, der bleibt im Knast, BASTA!

Ist es Faulheit oder keimt der Verdacht der Rechtsbeugung? Oder gibt es andere, möglicherweise psychologisch oder gar psychiatrisch zu klärende Gründe? Alle Ansätze werden nicht nur in der Anwaltschaft vertreten, jedenfalls hat ein Kollege jetzt ein „Kopfgeld“ – Einladung zu zu einer Besichtigung des OLG Naumburg mit anschließender Weinprobe bis zum Abwinken – ausgelobt für die erste Entscheidung in der Ära Mertens, die betroffenen-/beschuldigten-/angeschuldigten-/angeklagtenfreundlich ist.

Ich glaube, das kann dauern.

Über rawsiebers

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht, bundesweit tätig, TOP-RECHTSANWALT Deutschland 2014, 2015, 2016, 2017, 2018, 2019, 2020: STRAFRECHT (Focus-Spezial von 2014, 2015, 2016, 2017, 2018, 2019, 2020)
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