Eine Ansammlung von Peinlichkeiten I

Landgericht Koblenz scheitert an sich selbst

Das Landgericht Koblenz schafft es immer wieder, an eigenen Unzulänglichkeiten erbärmlich zu scheitern, um danach mit Nebelgranaten noch erbärmlicher zu versuchen, diese eigenen Unzulänglichkeiten schönzureden.

Ein Paradebeispiel der Jahrhundertprozess um das „Aktionsbüro Mittelrhein“.

Nebelgranate 1:

In einem ersten Anlauf des Verfahrens gab es schon ein bitteres Ende, weil der Vorsitzende in seinem Dienstzimmer einen entlarvenden Aufkleber („Anti-Burschenschaftler“) angebracht hatte; um nicht zu verantworten, nach über 350 Verhandlungstagen entsprechenden Befangenheitsanträgen stattgeben zu müssen, wurde, obwohl noch genügend Verhandlungstage anberaumt waren, so getan, als könne der Prozess wegen der anstehenden Pensionierung des Vorsitzenden nicht weitergeführt werden.

Nebelgranate 2:

Im zweiten Anlauf haben weder die Kammer noch das Präsidium gemerkt, dass eine Staatsschutzsache, die als solche richtigerweise von der Staatsanwaltschaft bei der Staatsschutzkammer angeklagt wurde, von einer „einfachen“ großen Strafkammer, die nicht Staatsschutzkammer ist, verhandelt werden sollte, wobei man sich im Vorfeld erkennbar Mühe gegeben hatte, die Besetzung dieser Kammer auf dieses Verfahren zurechtzubasteln.

Erst auf die Besetzungsrüge von Verteidigern wurden den Herrschaften die Augen geöffnet und das Verfahren musste nun erneut ausgesetzt werden:

„Die 12. große Strafkammer ist ausweislich des für das Geschäftsjahr 2018 gültigen Geschäftsverteilungsplans als allgemeine Strafkammer besetzt, müsste in hiesigem Strafverfahren zum Aktenzeichen (…) jedoch als Staatsschutzkammer entscheiden, obwohl eine andere Kammer des Landgerichts Koblenz nach der gültigen Geschäftsverteilung für Staatsschutzsachen zuständig ist. Damit liegt unter Berücksichtigung des Konzentrationsgrundsatzes des § 74a GVG eine vorschriftswidrige Besetzung der 12. großen Strafkammer vor.“ 

Eigentlich klare Worte. Aber das Landgericht Koblenz wäre nicht das Landgericht Koblenz, wenn nicht sofort versucht wird, in Presseerklärungen die eigenen Unzulänglichkeiten schönzureden:

Der erst vor kurzem neu gestartete Koblenzer Neonazi-Prozess ist aus formellen Gründen vorerst ausgesetzt worden. Das hat die zuständige Strafkammer des Landgerichts Koblenz am Mittwoch beschlossen, wie eine Gerichtssprecherin sagte. Der Aussetzung, die die Kammer vorsichtshalber angeordnet habe, lägen unterschiedliche Rechtsauffassungen von Gerichtspräsidium und Kammer zum Geschäftsverteilungsplan zugrunde.

Quelle: t-online

„Vorsichsthalber“ ist schon Unsinn, der Besetzungsrüge war zwingend stattzugeben, weil sie rechtlich den Kern getroffen hat. Und auch „unterschiedliche Rechtsauffassungen“ hat es offenbar nie gegeben, sowohl Kammer als auch Präsidium haben geschlafen und dieses Problem bis zur Besetzungsrüge schlicht und einfach nicht gesehen.

Einer der Verteidiger hatte bereits im Vorfeld zur Hauptverhandlung sowie in den ersten Verhandlungstagen darum gebeten, die Besetzungsrügen vor Verlesung der Anklage vorbringen zu dürfen, damit man sich weitere Verhandlungstage und insbesondere auch die Verlesung der umfangreichen Anklage sparen könne. Dieser Bitte der Verteidigung war die Kammer nicht nachgekommen.

Man wollte offenbar „Stärke“ zeigen und hat die angekündigten Besetzungsrügen nicht ernst genommen. Von wegen „unterschiedliche Rechtsauffassungen“. Dass allein durch diese schon kindliche Sturheit diverse Verhandlungstage völlig überflüssig ins Land gegangen sind und dadurch bereits wieder zumindest etwa 50.000,00 € in den Wind geschossen wurden, werden die Verantwortlichen sicher schnell vergessen und vernebeln wollen.

Bei dem Schönredetalent des Landgerichts Koblenz wird es nicht lange dauern, bis letztlich allein die bösen Verteidiger die Schuld daran tragen, dass das Verfahren schon wieder kläglich gescheitert ist.

Widewidewitt, ich mach mir die Welt, wie sie mir gefällt. (Pipi Koblenz)

Auch meine Mitverteidigerin Kerstin Rueber-Unkelbach berichtet hier.

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Über rawsiebers

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht, bundesweit tätig, TOP-RECHTSANWALT Deutschland 2014, 2015, 2016, 2017, 2018, 2019, 2020: STRAFRECHT (Focus-Spezial von 2014, 2015, 2016, 2017, 2018, 2019, 2020)
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