Den Spruch soll einmal ein Fußballtrainer gemacht haben, auf ähnlichem Niveau argumentiert die Staatsanwaltschaft Braunschweig.
In einem Verfahren wird ein Strafbefehl beantragt gegen einen nicht vorbestraften Beschuldigten, dem vorgeworfen wird, im Besitz von „8,2 Gramm Marihuana brutto“ gewesen zu sein.
Mein Hinweis, dass das angebliche Marihuana mit Verpackung gewogen wurde, veranlasst das zuständige Amtsgericht, dass die Substanz ohne Beutel gewogen wird. Das Nachwiegen der Polizei mit nicht geeichter Waage ergibt, dass die tatsächliche Substanz ca. 3,45 Gramm beträgt.
Darauf mein Hinweis:
Im Gem. RdErl. d. MJ u. d. MI v. 7. 12. 2012 „Anwendung des § 31 a Abs. 1 BtMG und Bearbeitung von Ermittlungsverfahren in Strafsachen gegen Betäubungsmittelkonsumenten“ (Nds. MBl. 2012 Nr. 46, S. 1253) heißt es dazu u. a.:
„Bezieht sich die Tat auf den Umgang mit Cannabisprodukten ausschließlich zum Eigenverbrauch in einer Bruttomenge von nicht mehr als sechs Gramm und verursacht die Tat keine Fremdgefährdung, so kann die Staatsanwaltschaft das Ermittlungsverfahren gemäß § 31 a BtMG einstellen (Ziff. 2.1.1).“
Nun kommt die Staatsanwaltschaft Braunschweig tatsächlich auf die Schnapsidee, dass die Formulierung „brutto“ in diesem Zusammenhang bedeutet: inklusive Verpackungsmaterial!
Auf den Gedanken, dass dort natürlich die Abgrenzung von der Gesamtmenge (ohne Verpackung) zu dem reinen Wirkstoffgehalt gemeint sein könnte, kommt die Staatsanwaltschaft nicht.
Es ist schon absonderlich, dass eine Staatsanwaltschaft ernsthaft die Rechtsmeinung vertritt, dass Strafbarkeitsgrenzen im Betäubungsmittelrecht von dem Gewicht der Verpackung abhängen könnten. Der weitere Gedanke, dass es unzulässig sein muss, die Bruttomenge von Cannabis inklusive Verpackung zu bestimmen, da die Verpackung das Gesamtgewicht beeinflussen kann und somit zu einer ungenauen Bestimmung führen würde, liegt den Herrschaften fern.
Der noch weitere Gedanke, dass damit ein eklatanter Verstoß gegen den Bestimmtheitsgrundsatz vorläge, also den rechtsstaatlichen Grundsatz, dass Gesetze ausreichend bestimmt sein müssen (Art. 20 III GG), kommt dort nicht auf.
Dass der Bestimmtheitsgrundsatz insbesondere im Strafrecht in Form des Satzes „nulla poena sine lege“ (keine Strafe ohne (bestimmtes) Gesetz), im Grundgesetz niedergelegt durch Art. 103 II. 2 GG, seine Ausprägung findet, ist für die Staatsanwaltschaft Braunschweig offenbar eine Überforderung.
Ich rechne damit, dass demnächst ein Verfahren wegen Handeltreibens mit nicht geringer Menge eingeleitet wird, wenn jemand ein Gramm in einem Ziegelstein aufbewahrt, weil das Gewicht „brutto“ 2,5 kg betragen hat.
Aber was soll man erwarten von einer Staatsanwaltschaft, die – aus welchen unjuristischen Gründen auch immer – versucht, ohne Hintergrund spektakuläre Verfahren an sich zu ziehen (Fall Maddy – keine Zuständigkeit, Haftbefehl ist aufgehoben).
Gemeinsame Pressemitteilung der Verteidiger Fülscher, Aykac und Marquort zur den Anklagen der Staatsanwaltschaft Braunschweig gegen Christian B.
Das Landgericht Braunschweig hat sich mit Beschluss vom 19.04.23 hinsichtlich der Anklage gegen Christian B. für unzuständig erklärt und den Haftbefehl gegen diesen aufgehoben.
Die Verteidigung hat bereits im Ermittlungsverfahren darauf hingewiesen, dass eine örtliche Zuständigkeit der Braunschweiger Justiz nicht bestehen dürfte.
Aus hier nicht nachvollziehbaren Gründen hat die Staatsanwaltschaft Braunschweig an ihrer Zuständigkeit geklammert und damit im Falle einer Eröffnung eine Aufhebung durch den Bundesgerichtshof riskiert. Dies ist insbesondere auf Grund der Tatsache, dass eine Vielzahl von Zeugen im Falle einer Aufhebung (zu sehr belastenden Themen) ggfs. erneut vor Gericht hätten erscheinen müssen, sehr fragwürdig.
Aus der Entscheidung des Gerichtes folgt auch eine Unzuständigkeit der Braunschweiger Justiz für den Fall „Maddie“.

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