Redeschwall

Heiße Luft

Der Kollege, der neben mir einen anderen Angeklagten vertritt, war schon während der Beweisaufnahme unangenehm aufgefallen.

Er stellte nicht nur Fragen an Zeugen, die seinen Mandanten gar nicht sondern nur meinen Mandanten betrafen, sondern auch Fragen an Zeugen, die bis dahin ausgesprochen positiv für seinen Mandanten ausgesagt hatten, so dass diese durch seine Befragung das Entlastende sogar relativierten.

Irgendwann rutsche mir raus: „Haben Sie noch Fragen, Herr Staatsanwalt?“ Das war natürlich ein Versehen!

Dann wurde eine Einigung besprochen und protokolliert, das Ergebnis stand fest.

Die Beweisaufnahme wurde geschlossen, der Staatsanwalt fasste die Einigung zusammen und beantragte das, was angekündigt war. Er brauchte fünf Minuten.

Ich schloss mich dem Staatsanwalt an mit dem Hinweis, dass ich meine Arbeit vor dem Plädoyer gemacht hatte und es nicht für nötig erachte, in Anbetracht der Verständigung noch Volksreden zu halten. Ich brauchte 25 Sekunden.

Dann der Kollege: 47 geschlagene Minuten hat er etwas erzählt, ich weiß nicht was, weil ich nach 2 Minuten nicht mehr dem Geschwurbel zugehört habe, es war unerträglich. In der 48. Minute hat er sich dann auch den Anträgen des Staatsanwaltes angeschlossen.

Das Anstrengenste bei solchen Typen ist, nicht zu platzen.

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Über rawsiebers

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht, bundesweit tätig, TOP-RECHTSANWALT Deutschland 2014, 2015, 2016, 2017, 2018, 2019, 2020: STRAFRECHT (Focus-Spezial von 2014, 2015, 2016, 2017, 2018, 2019, 2020)
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7 Antworten zu Redeschwall

  1. Mirko Großmann schreibt:

    Solche Kollegen sollten mal die verlorene Zeit ihren Mandanten in Geld aufwerten, wenn alles klar ist, reichen zwei kurze Sätze und gut ist
    Der Kollege hat bestimmt seinen Beruf verfehlt, er sollte Dichter werden oder in die Politik wechseln

  2. Miraculix schreibt:

    Hat er die Dauer der HV damit evtl. über die 5 Stunden gebracht?

  3. RA Hermann schreibt:

    Ich verteidige sehr ungern mit anderen Anwälten, was sich bei mehreren Angeklagten leider nicht immer vermeiden läßt. Denn viele reiten nicht nur den eigenen Mandanten in die Sch…, sondern gleich auch noch sämtliche Mitangeklagten.

    Kürzlich machte ich in meinem Plädoyer Ausführungen zu dem bislang in der Hauptverhandlung nicht erörterten Aspekt, daß die angeklagten Handlungen straflose Vorbereitungshandlungen waren und noch nicht das Versuchsstadium erreicht hatten. Zustimmendes Nicken von der Richterbank. Der „Kollege“, der nach mir plädierte, hielt es für nötig, meine Ausführungen auseinanderzunehmen, darauf hinzuweisen, daß die Angeklagten „sehr wohl“ bereits in das Versuchsstadium eingetreten seien und sein Mandant – so wörtlich – „völlig idiotisch“ gehandelt habe. Er schloß sich den Forderungen der Staatsanwältin nach recht harter Bestrafung an…. Das Gericht allerdings nicht.

    Habe keine Ahnung, was sich manche Leute bei ihrer Berufsausübung denken.

  4. RA Ullrich schreibt:

    Es scheint tatsächlich ein paar Verteidigerkollegen zu geben, die das mit dem „Organ der Rechtspflege“ wohl falsch verstanden haben und bisweilen der Auffassung sind, ihr Job wäre es, auf ein angemessenes Verfahrensergebnis (statt auf ein für ihren Mandanten möglichst günstiges Ergebnis) hinzuwirken. Ich habe tatsächlich einmal erlebt, dass ein Verteidiger für seinen Mandanten, der zum wiederholten Male wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis vor Gericht stand ein höheres Strafmaß als der Staatsanwalt beantragt hat (!!!), mit der Begründung, sein Mandant brauche diesmal einen ordentlichen Denkzettel, damit er es endlich lernt.

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