Belehrungsalltag

Was glaubt ein Richter?

Jeden Tag erlebe ich Belehrungen von Zeugen durch Richter, die ihren Job seit Jahren machen und die die Belehrung der Zeugen so verinnerlicht haben, dass sie oft gar nicht mehr merken, dass sie ihre Belehrung so „rausballern“, dass der unbedarfte Zeuge, der vielleicht noch nie bei Gericht war, nicht den Hauch einer Chance hat, auch nur einen Bruchteil dessen zu verstehen, was ihm vermittelt werden soll.

Vielen Richtern fehlt irgendwann jede Sensibilität, zu erkennen, dass ihr auswendiges Geschnattere bei dem, den es angeht, gar nicht mehr verstanden werden kann. Ein Richter, mit dem ich nicht selten zu tun habe, braucht für GENAU den folgenden Text zwischen 28 und 32 Sekunden:

Guten Tag. Ich belehre Sie, so schreibt es mir das Gesetz vor und ist kein Misstrauen in Ihre Person oder in das, was Sie sagen werden, denn das kenne ich ja noch gar nicht, darüber, dass Falschaussagen vor Gericht strafbar sind. Die uneidliche Falschaussage wird bestraft von 3 Monaten bis zu 5 Jahren Freiheitsstrafe, die eidliche Falschaussage, der so genannte Meineid, mit mindestens einem Jahr Freiheitsstrafe, das ist ein Verbrechen, der Meineid kann auch schon bestraft werden, wenn Sie nur fahrlässig etwas Falsches sagen. Vorsorglich weise ich darauf hin, dass Sie nichts sagen müssten, wenn Sie sich selbst oder einen Angehörigen wegen der Begehung einer Straftat belasten müssten, dann könnten Sie schweigen. Wenn Sie etwas nicht mehr genau wissen oder nur vom Hören und Sagen, müssten Sie das deutlich kenntlich machen und nicht so tun, als sei es eigenes Wissen. Ich gehe davon aus, dass Sie das alles verstanden haben, die Wahrheitspflicht gilt auch für die Angaben zur Person, Sie heißen?

Davon abgesehen, dass der Teil zu § 55 StPO verkürzt und damit falsch ist (kaum ein Richter vermittelt den tatsächlichen und vollständigen Sinngehalt des § 55), sind das oft die Richter, die Zeugen auch gar nicht ausreden lassen, wenn sie glauben, schon das gehört zu haben, was sie hören wollten.

Schade, dass offenbar zumindest bei dem einen oder anderen Richter gar nicht mehr darüber nachgedacht wird, wie die Außenwirkung dessen ist was sie tun und wie sie mit Angeklagten oder Zeugen umgehen.

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Über rawsiebers

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht, bundesweit tätig, TOP-RECHTSANWALT Deutschland 2014, 2015, 2016, 2017, 2018, 2019, 2020: STRAFRECHT (Focus-Spezial von 2014, 2015, 2016, 2017, 2018, 2019, 2020)
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8 Antworten zu Belehrungsalltag

  1. Tessmannr schreibt:

    wenn man den Text liest, ist er ja verständlich 😉

    • rawsiebers schreibt:

      Rechtsfreund, lesen Sie ihn mal in 30 Sekunden und stellen sich vor, das unbedarft das erste Mal in aufgeregter Situation zu hören!

  2. Sascha Petzold schreibt:

    Toll ist auch der übliche Text: Sie dürfen Schweigen, wenn sie bei wahrheitsgemäßer Antwort sich selbst oder einen Verwandten einer Straftat bezichtigen müßten. Ich frage mich immer, können die es nicht besser oder ist das Absicht.

  3. ck schreibt:

    Wie soll ich als juristischer Laie überhaupt einschätzen können, ob das, was ich zu sagen beabsichtige, mich oder einen Verwandten belasten kann?

    • rawsiebers schreibt:

      Das Problem ist, dass es darum nicht einmal geht, sondern nur darum, dass Sie schon schweigen dürfen, wenn Sie bei wahrheitsgemäßer Aussage, mit der Sie nichts und niemanden belasten, befürchten müssen, dass ein wildgewordener Staatsanwalt ein Ermittlungsverfahren gegen Sie oder einen Angehörigen einleitet. Es geht also gar nicht um „Selbstbelastung“ sondern um „Selbstgefährdung“, die mit „Belastung“ gar nichts zu tun haben muss.

      • wannabe-Aussageverweigerer schreibt:

        Bescheidene Frage:
        Ist das ein Freibrief zur Aussageverweigerung?
        Denn *jede* Aussage, die ich nicht durch unzweifelhafte Tatsachen oder Sach-Beweise untermauern kann setzt mich doch dem Risiko der Verfolgung wegen Falschaussage aus. Oder mache ich da einen Denkfehler?

        Diese Frage treibt mich schon länger um, im Grunde seit ich „bösartige“ Richter kennenlernte.

  4. Zwerg schreibt:

    Belehrungen vor Gericht sind so oder so „lächerlich“. Der redlichen Zeuge, dem ist klar, dass er nur die Wahrheit sagen darf. Dieser Zeuge wird durch die Belehrung (mit Strafandrohung usw.) nur eingeschüchtert und verunsichert. Der zur Lüge entschlossene Zeuge lässt sich auch durch die Belehrung nicht umstimmen und der dumme Zeuge, der nicht unterscheiden kann, zwischen dem was er selber gesehen hat und was ihm über ein Geschehen erzählt wurde, der wird durch eine noch so gute Belehrung nicht klüger.

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